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Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 13.03.2002
Aktenzeichen: 2 Not 2/2002
Rechtsgebiete: BNotO
Vorschriften:
BNotO § 39 Abs. 3 Satz 1 |
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Beschluss
Geschäftsnummer: 2 Not 2/2002
in Sachen
Tenor:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert beträgt € 2.000,00.
Gründe:
Die Verfügung des Antragsgegners vom 10.12.2001 ist rechtmäßig. Der durch den Antragsteller vorgeschlagene Kandidat, Herr Rechtsanwalt M., erfüllt nicht die durch § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot vorgeschriebene Mindestdauer der Zulassung in dem in Aussicht genommenen Bezirk (I.). Die Regelung des § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot verletzt den Antragsteller nicht in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG (II.). Sie verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht (III.). Daraus, dass der durch den Antragsteller vorgeschlagene Kandidat bereits zweimal jeweils durch ein Büroversehen zu dessen Notarvertreter bestellt wurde, ergibt sich kein Anspruch auf eine erneute Bestellung (IV.).
I.
Soweit der Antragsteller geltend macht, der von ihm vorgeschlagene Kandidat Rechtsanwalt M. sei vom 12.8.1999 bis zum 16.6.2000 sowohl in Bremerhaven als auch in Langen, und im unmittelbaren Anschluss daran vom 16.6.2000 an nur noch in Langen zugelassen gewesen, führt dies nicht dazu, dass Herr Rechtsanwalt M. die Mindestdauer der Zulassung nach § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot erfüllt hätte. Zwar war Herr Rechtsanwalt M. zum Zeitpunkt des Antrags auf Bestellung zum Notarvertreter am 7.12.2001 seit mehr als 18 Monaten als Rechtsanwalt zugelassen. Dies gilt jedoch nur für die Zulassung im Bezirk des Amtsgerichts Langen. Erforderlich wäre nach § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot aber eine Zulassung von mindestens 18 Monaten im Bezirk des Amtsgerichts Bremerhaven, in dem die Notarvertretung erfolgen soll. Die Zulassung im Bezirk Bremerhaven wurde jedoch bereits nach 10 Monaten gelöscht.
II.
Der Antragsteller wird durch § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot nicht in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG verletzt. Die Regelung des § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot bedarf insbesondere keines formellen Gesetzes.
1. Zwar hat das BVerfG mit Beschluss vom 21.6.1989 entschieden, dass die Regelung einer oberen Altersgrenze für die Zulassung als Notar eines Gesetzes bedarf (BVerfGE 80, 257). Eine solche Regelung kann deshalb nicht durch die AVNot allein getroffen werden. Die angesprochene Entscheidung des BVerfG ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Regelung des § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot stellt - anders als die dem BVerfG in dem zitierten Fall vorliegende Vorschrift - keine Berufswahlbeschränkung im Sinne einer subjektiven Zulassungsbeschränkung dar. Die Freiheit, den Beruf des Notars zu wählen, wird durch § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot nicht beeinträchtigt. Die Vorschrift bezieht sich allein auf die Bestellung als Notarvertreter. Dieses ist jedoch kein eigenständiger Beruf, sondern allenfalls ein dem Beruf des Rechtsanwaltes oder Notars zuzuordnender Tätigkeitsbereich. Eine Berufswahlregelung zulasten des zu vertretenden Notars scheidet damit ebenso aus, wie eine Berufswahlregelung zum Nachteil des vorgeschlagenen Kandidaten. Aus diesem Grund erweist sich auch der Beschluss des BVerfG vom 18.6.1986 (BVerfGE 73, 280) als nicht einschlägig, denn auch diese Entscheidung befasst sich mit subjektiven Zulassungsvoraussetzungen, die als Berufswahlschranken zumindest ihren Grundzügen nach gesetzlich geregelt werden müssen.
2. § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot beeinflusst demgegenüber lediglich die Berufsausübung des zu vertretenden Notars, der in der Wahl der Kandidaten, die er als Vertreter vorschlagen kann, eingeschränkt wird. Berufsausübungsregelungen greifen nach der durch das BVerfG vorgenommenen Kategorisierung zwar in das Grundrecht aus Art. 12 GG ein. Sie sind aber gegenüber den objektiven und subjektiven Berufswahlbeschränkungen die Eingriffsform mit der geringsten Eingriffsintensität. Nach der durch das BVerfG insbesondere zu Art. 12 GG entwickelten sog. Wesentlichkeitstheorie bedürfen jedoch nur wesentliche Eingriffe einer in die Einzelheiten gehenden gesetzlichen Regelung. Weniger einschneidende Eingriffe können in verfassungskonformer Weise auch durch untergesetzliche Normen vorgenommen werden, die allgemein gehaltene gesetzliche Vorschriften konkretisieren. Dies ist hier der Fall. § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot präzisiert § 39 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1 BNotO - die ihrerseits nur bestimmen, dass Notarvertreter ernannt werden können, wenn sie fähig sind, das Amt eines Notars zu bekleiden - dahingehend, dass mit dem Erfordernis der mindestens 18 Monate andauernden Zulassung in dem in Aussicht genommenen Bezirk ein weiteres subjektives Auswahlkriterium hinzugefügt wird. Insoweit wirkt § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot sich im Sinne einer Selbstbindung der Verwaltung bei der jeweils zu treffenden Ermessensentscheidung aus. Die Eingriffsintensität dieser Berufsausübungsregelung ist gering. Es handelt sich nach der Kategorisierung des BVerfG um einen Eingriff auf der niedrigsten Eingriffsstufe. Hinzu kommt, dass die "18-Monate-Regelung" auch inhaltlich keinen besonders tiefen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit darstellt.
III.
§ 10 Abs. 5 S. 1 AVNot ist auch nicht gem. Art. 31 GG unwirksam. Es liegt keine Normenkollision mit Bundesrecht vor.
Art. 31 GG findet nur dann Anwendung, wenn eine Normenkollision zwischen bundesrechtlichen Rechtsnormen und Vorschriften besteht, die einem Landesorgan zuzurechnen sind (Stern, Staatsrecht 1977, Band I, S. 569 f.). Eine solche Kollision ist gegeben, wenn eine der beiden Vorschriften durch den Normadressaten nicht befolgt werden kann, ohne dass die andere verletzt wird (vgl. März in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 4. Auflage, Art. 31 Rn. 41).
Hier kann § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot befolgt werden, ohne dass dabei § 39 BNotO verletzt wird.
1. Zwar verweist § 39 Abs. 3 S. 1 BNotO nur auf die Vorschriften über die Fähigkeit des Kandidaten, nämlich auf die §§ 3, 4 und insbesondere auf § 5 BNotO (Lerch in: Lerch/Sandkühler, BNotO Kommentar, 4. Auflage, § 39 Rn. 15; Wilke in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG Kommentar, § 39 BNotO, Rn. 15). Sie gewährt aber weder dem Kandidaten noch dem zu vertretenden Notar einen Anspruch auf die Bestellung des vorgeschlagenen Kandidaten, wenn dieser fähig im Sinne der BNotO ist. Vielmehr erschöpft sich der Regelungsgehalt der Vorschrift in dem Ausschluss nicht als fähig geltender Kandidaten von der Bestellung. Dies ergibt sich aus der unmissverständlichen Formulierung "...darf nur bestellt werden..." in § 39 Abs. 3 S. 1 BNotO. § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot steht dem nicht entgegen. Durch § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot werden lediglich die Anforderungen an den zu bestellenden Kandidaten präzisiert. Die Befolgung des § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot, also die Ablehnung der Bestellung von Rechtsanwälten, die noch nicht 18 Monate in dem jeweiligen Bezirk zugelassen sind, impliziert nicht die Verletzung des § 39 Abs. 3 S. 1 BNotO. Das wäre nur dann der Fall, wenn § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot die Bestellung von Kandidaten ermöglichen würde, die nicht als fähig im Sinne der BNotO anzusehen sind. Eine solche Wirkung hat § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot aber nicht. § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot setzt die Anforderungen an die Person des zu bestellenden Notarvertreters gegenüber den Regelungen der BNotO nicht herab, sondern die Vorschrift verschärft diese Kriterien. Das ist zulässig.
Entgegen der vom Antragsteller vertretenen Rechtsansicht ist die bundesgesetzlich getroffene Regelung keine abschließende in dem Sinne, dass sie ergänzender Bestimmungen nicht zugänglich wäre. Zwar hat der Bundesgesetzgeber mit der Bundesnotarordnung von der ihm durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes eingeräumten Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht und damit die von diesem Gesetzeswerk betroffene Materie auf der Ebene des formellen Gesetzes insofern umfassend geregelt, als ergänzende Vorschriften durch die Landesgesetzgeber jedenfalls insoweit nicht mehr zulässig sind. Etwas anderes gilt jedoch in Bezug auf Vorschriften ohne Gesetzesqualität. Es entspricht gefestigter Rechtsauffassung, dass die Befugnis zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften der Exekutive inhärent ist. Sie steht insbesondere der obersten Verwaltungsbehörde für ihren Zuständigkeitsbereich zu; einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedarf es insofern nicht (BVerfGE 26, 338, 396). Das bedeutet in diesem Zusammenhang zunächst, dass die zuständige Landesjustizverwaltung unbestimmte Rechtsbegriffe, die vom Gesetzgeber in die Vorschriften der Bundesnotarordnung eingestellt worden sind, im Wege allgemeiner Verwaltungsvorschriften konkretisieren und für deren Auslegung Hinweise erteilen darf, die die nachgeordneten Behörden binden (vgl. BVerfGE, a.a.O., S. 397). Besondere Bedeutung hat diese Befugnis bei der Anwendung des § 6 Abs. 3 S. 1 bis 3 der Bundesnotarordnung erlangt. Aber auch in dem hier zu beurteilenden Bereich gibt es ergänzende Vorschriften: so bestimmt z.B. § 20 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Justiz des Landes Niedersachsen vom 1. März 2001 (Nds. Rpfl. S. 100), dass als Notarvertreterin oder Notarvertreter in der Regel nur bestellt werden soll, wer nach Erwerb der Befähigung zum Richteramt (§ 5 DRiG) ein Jahr als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt tätig gewesen ist (ähnlich in der Formulierung, aber in der Sache ebenso schon § 12 AVNot vom 10. Dezember 1981 [Nds. Rpfl. S. 265]) . Da der Bundesgesetzgeber trotz mehrfacher seit dem Inkrafttreten dieser Vorschrift vorgenommener Änderungen der Bundesnotarordnung bislang keine Veranlassung gesehen hat, diese Regelung zu beseitigen oder auch nur zu modifizieren, muss daraus geschlossen werden, dass die bundesrechtliche Regelung des § 39 Abs. 3 S. 1 der Bundesnotarordnung jedenfalls dahin durch allgemeine Verwaltungsvorschriften ergänzt werden kann, dass unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zusätzliche Erfordernisse für die Bestellung einer zur Bekleidung des Amtes eines Notars befähigten Person aufgestellt werden dürfen. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot getroffenen Regelung nach Maßgabe des § 39 Abs. 3 S. 1 der Bundesnotarordnung an sich für die Bestellung zum Vertreter geeignete Personen unverhältnismäßigen Anforderungen unterworfen werden, sind jedoch nicht ersichtlich.
Schließlich die Regelung in § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot auch sinnvoll, weil auf diese Weise sichergestellt wird, dass der Notarvertreter die Besonderheiten des Bezirks und zumindest auch einen Teil der Mandantschaft des Notars, den er vertreten soll, kennt.
2. Eine Verletzung des § 39 Abs. 3 S. 1 BNotO ergibt sich auch nicht daraus, dass § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot mit der Dauer der Zulassung in dem jeweiligen Bezirk an Kriterien anknüpft, die in § 6 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BNotO, auf deren Inhalt § 39 Abs. 3 S. 1 BNotO gerade nicht verweist (vgl. Wilke a.a.O. Rn. 16 m.w.N.; Lerch a.a.O.), in ähnlicher Weise für die Frage der Eignung für das Amt des Notars herangezogen werden. Durch § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot werden nicht die Eignungskriterien der BNotO zur Voraussetzung für die Bestellung zum Notarvertreter gemacht. Dies zeigt insbesondere die Diskrepanz zwischen dem Erfordernis einer mindestens fünf Jahre andauernden Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in § 6 Abs. 2 Nr. 1 BNotO und dem Kriterium einer - nur - mindestens 18 Monate dauernden Zulassung in § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot.
3. Auch widerspricht § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot nicht der Regelung des § 39 Abs. 3 S. 3 BNotO. Nach dieser Vorschrift sollen nur solche Kandidaten bestellt werden, die von dem zu vertretenden Notar vorgeschlagen wurden. Ein Anspruch auf eine Bestellung jedes durch den Notar vorgeschlagenen Kandidaten ergibt sich hieraus jedoch nicht. Es bleibt dem Notar zudem unbenommen, einen Kandidaten seines Vertrauens zu benennen, der die erforderliche Zulassungsdauer bereits erreicht hat.
IV.
Ein Anspruch des Antragstellers auf Bestellung des von ihm vorgeschlagenen Rechtsanwalts M. zum Notarvertreter ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass Herr Rechtsanwalt M. - jeweils durch ein Büroversehen - bereits zweimal zum Notarvertreter des Antragstellers bestellt wurde. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Antragstellers kann sich hieraus insbesondere deshalb nicht ergeben, weil dem Antragsteller als Notar die Vorschrift des § 10 Abs. 5 S. 1 AVNot bekannt war und er deshalb erkennen musste, dass es sich bei der Bestellung unter Verstoß gegen diese Vorschrift nicht um die übliche Praxis, sondern jeweils nur um ein Versehen handeln konnte.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 111 Abs. 4 BNotO i. V. m. § 201 Abs. 1 BRAO.
Ende der Entscheidung
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